Die Themen „Industrie 4.0“ und „Digitalisierung“ bewegen seit einiger Zeit alle Branchen, nicht nur die Logistik.

Auf der einen Seite sorgt die Digitalisierung hinsichtlich ihrer Umsetzung und Folgen häufig für Unruhe und Sorge. Auf der anderen Seite ist ihr Potential, Prozesse transparenter, einfacher, zugänglicher und reaktionsfähiger zu gestalten, nach wie vor enorm.

Daher wird weiterhin allerorts fleißig daran gearbeitet, die Digitalisierung der eigenen Branche zu realisieren und zu optimieren, ein Vorhaben, welches in Zeiten von Globalisierung und Krisen wie der Corona-Pandemie besonders wertvoll ist.

In der Textilbranche gehört das Ziel der Losgröße 1 seit einigen Jahren zu den Themen, die im Rahmen der Industrie 4.0 regelmäßig diskutiert werden.

Was ist die Losgröße 1?

Die Losgröße beschreibt die Menge von Produkten, die an einem Stück produziert werden. In der Regel wird diese Menge als Serienfertigung recht hoch gewählt, um benötigte Maschinen nicht mehrfach im Produktionszyklus umrüsten zu müssen und so nicht Zeit und Geld zu verlieren.

Die Losgröße 1 aber beschreibt eine Einzelfertigung, sprich eine Sonderanfertigung.

Dahinter steht der Gedanke, Produkte individuell auf den Kunden zugeschnitten anbieten zu können. Denn hat der Kunde die Möglichkeit, sein Produkt selbst individuell zusammenzustellen, muss dieses in jedem Fall in Einzelfertigung produziert werden.

Der Lagerplatz und die damit verbunden hohen Lagerkosten, welche größere Losgrößen einfordern, können dabei eingespart werden und Produkte werden seltener über die tatsächlich verkaufte Menge hinaus produziert.

Losgröße 1 in der Textilbranche

In der Textilbranche stellt die Losgröße 1 ein besonders spannendes Thema dar. Dank der Einzelfertigung können Kunden ihr eigenes Kleidungsstück selbst designen – sowohl Schnitt und Muster als auch Material.

Sonderanfertigung

Am DTB Infotag bei HUGO BOSS wurden Technologien und Konzepte hinter diesem Modell näher erklärt. Beispielsweise können durch 3D Design Sitz und Schnitt der Kleidung geprüft und angepasst werden. Zudem ermöglichen digitale Materialdatenbanken einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Stoffe, Garne und anderen Materialien.

Einige Firmen schaffen es bereits, die Losgröße 1 zu den gleichen Kosten wie die Serienfertigung umzusetzen. Eindrucksvolle Beispiele dessen konnten unter anderem dieses Jahr wieder auf der texprocess bestaunt werden.

Seit einigen Jahren demonstrieren hier Microfactories vor Ort ihre Fortschritte darin, immer leistungsstärkere Produktionsketten (von Design über Produktion bis zum fertigen Produkt) aufzubauen.

Voraussetzung dafür sind eine transparente Organisation, Kommunikation und Koordination. Um diese zu erreichen ist die Grundlage eine zentrale IT-Lösung, welche lückenlos und in Echtzeit Daten kommunizieren kann.

Die Technologien sind da, sie müssen nur genutzt werden!

Derzeit wird die Losgröße 1 besonders im Rahmen von Microfactories, also sehr kleinen Betrieben, oder von großen Firmen für hochpreisige Mode verfolgt.

Ob der Trend der Losgröße 1 in der Textilbranche tatsächlich für Unternehmen aller Größen und aller Produktpaletten umsetzbar und sinnvoll sein wird, bleibt abzuwarten.

Was ist mit anderen Branchen?

Der Trend der Sonderfertigung beschränkt sich nicht nur auf die Textilbranche, wie auch der diesjährige deutsche Industrie 4.0 Index der Staufen AG und der Staufen Digital Neonex GmbH zeigt.

Insgesamt 323 Unternehmen verschiedener Branchen wurden Mitte des Jahres in Deutschland zu den Themen Industrie 4.0 und Digitalisierung befragt. Ein Großteil dieser, etwa 70%, stammte aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Elektroindustrie und aus der Automobilindustrie.

Tatsächlich zeigt der Index, dass 40% der befragten Firmen, die sich bereits mit Industrie 4.0 auseinandersetzen, dies eben wegen dem Trend der Losgröße 1 tun.

Ganze 60% der Unternehmen stellen bereits Produkte mit der Losgröße 1 zu Kosten der Serienfertigung her oder planen, dies binnen maximal 10 Jahren zu erreichen. Das Thema wird allgemein überwiegend als wichtiges strategisches Thema bewertet, sowohl für das eigene Unternehmen als auch für die eigene Branche.

Nur 14% der Firmen geben an, sich niemals im Stande zu sehen, Einzelfertigungen zu den gleichen Kosten wie die Serienfertigung durchführen zu können.

Diese Einschätzung mag angebracht sein. Die Losgröße 1 effizient umzusetzen ist nicht zwangsläufig für jedes Unternehmen und in jeder Branche möglich.

Dennoch steht abermals für die Textilindustrie genauso wie für alle anderen fest:

Der Digitalisierung müssen sich alle Unternehmen stellen und das nicht nur einmal. Trends gehen in Richtung der Losgröße 1 und der individualisierten Fertigung.

Und wer die eigene Digitalisierung auch nach der Einführung nicht weiterhin optimiert und nicht auf neue Technologien seiner Branche reagiert, der verliert.