Man hat mich gebeten ein Tagebuch zu unserer letzten Reise zu schreiben, aber bevor ich in die einzelnen Kapitel dieser wirklich episodenreichen und spannenden Geschichte eintauche, möchte ich dem geneigten Leser einen allgemeinen Überblick verschaffen.

Ich bin in der glücklichen Lage einem Entwicklerteam anzugehören, das von Deutschland aus US-Kunden betreut und ab und an Reisen über den großen Teich unternimmt.

Oft ist informationstechnisches Fachwissen bei den Terminen und Workshops vor Ort vonnöten. Das liegt unter anderem daran, dass im Zuge der allgemeinen Digitalisierung die IT als Wettbewerbsvorteil in den Mittelpunkt der meisten Unternehmen gerückt ist. Die Geschäftspartner erwarten schlichtweg von vorne hinein mit der IT des Dienstleisters Kontakt aufzunehmen.

Was bringt die Geschäftsreisen für Entwickler?

Bei der Betreuung der Kunden vom anderen Kontinent müssen zusätzlich zum Fachlichen ständig räumliche, sprachliche und kulturelle Distanzen überbrückt und Hindernisse überwunden werden. Das fällt einem bedeutend leichter, wenn man vor Ort ist und die Kommunikation auf allen Ebenen führen kann. Oft klären sich Themen, die wochenlang per E-Mail, Telefon oder Webmeetings diskutiert wurden, bereits nach zehn Minuten Gespräch vis-a-vis. Die Kommunikation ist das A und O, mit ihr steht und fällt das gesamte Projekt und die Zeitplanung.

Unser Team wird oft mit der Aussage konfrontiert, dass wir bei den Reisen eigentlich nur Urlaub machen, was im Endeffekt auch stimmt, wenn man darunter Abenteuerurlaub versteht.

Es ist quasi wie ein Klassenausflug – eine hervorragende Teambildungsmaßnahme, denn nichts schweißt die Leute so zusammen wie ein gemeinsam erlebtes Abenteuer.

Hart arbeiten und noch härter feiern ist das Motto!

Man verlässt die Komfortzone des eigenen Büros, geht in die freie Wildbahn und macht dabei eine ganze Menge mit – oft ungewöhnliche, exotische und unerwartete Dinge und nicht immer nur Gutes. In sehr kurzer Zeit prasseln unglaublich viele Eindrücke, Situationen und Herausforderungen auf einen ein und man muss entsprechend agieren und reagieren. Der Adrenalinpegel ist stets auf hohem Niveau. Es ist wie mit dem Auto die Stadt zu verlassen und auf die Autobahn hinauszufahren: ein unglaublicher Rausch der Geschwindigkeit: man ist an der vordersten Front, repräsentiert die Firma, wird vom Kunden kritisch und aus Deutschland voller Erwartungen und Forderungen beäugt.

Aber auch die Strapazen gehören dazu und werden zur gemeinsamen Geschichte des Teams, an die man sich immer wieder gerne erinnert.

Geschäftsreise richtig meistern

Ein solcher Trip gleicht einem rohen Ei – es kann so viel schieflaufen, persönlich und bei der Mission, und sehr oft ist man auf sich allein gestellt. Beispiele für mögliche Schwierigkeiten unterwegs sind plötzlich auftretende Magenverstimmungen, Gliederkrämpfe und Krankheiten, Flugverspätungen oder gar -ausfälle, verlorene oder vergessene Dokumente, Gepäckstücke oder technisches Equipment, Jetlag, Schlafmangel und notorische Übermüdung.

Deswegen ist eine sorgfältige Planung essentiell. Es fängt damit an, dass man unterwegs keine Zeit mehr für das Tagesgeschäft hat und es sehr wichtig ist, dass der Teil des Teams, der in Deutschland bleibt, einem den Rücken freihält.

Man sollte auf jeden Fall die Zeitdifferenzen beachten, die eine Kommunikation mit der Heimat während der Arbeitszeit nur auf eine kleine Zeitspanne beschränken. Ebenso verhält es sich mit dem Kontakt mit der Familie, z.B. macht um 18:00 Uhr das Büro an der Ostküste in den USA Feierabend, zu diesem Zeitpunkt ist es bereits Mitternacht in Deutschland.

Es erfordert ein gewisses Maß an Disziplin, um die zur Verfügung stehende Zeit möglichst sinnvoll auszunutzen. Das kann man an dem folgenden durchaus durchschnittlichen Tagesablauf sehen:

6:00 Uhr: Aufstehen. In der Heimat ist bereits ein halber Tag vergangen. E-Mails checken, erste Absprachen mit Kollegen in Deutschland und evtl. noch mit der Familie.

7:30 Uhr: Frühstück und Planung des Tages mit den anwesenden Kollegen.

8:30 Uhr: Kundenbesuch, der oft bis 18:00 Uhr dauert.

18:00 Uhr: Kurz frisch machen, evtl. Sport im Hotel, dann geht es weiter zum Abendessen mit (einem anderen?) Kunden. Auch hier muss man sich stets vor Augen führen, dass man die Firma repräsentiert.

22:00 Uhr: Evtl. Nachbesprechung für den nächsten Tag und Erfassung der neuen Tasks für das Team in Deutschland.

24:00 Uhr: Ein letztes kurzes Telefonat nach Hause, da dort bereits 6 Uhr morgens ist. Und dann: ab ins Bett.

Diese „Routine“ wird unterbrochen von dazwischenkommenden Inlandsreisen zwischen den Geschäftspartnern (Flüge oder Autofahrten), spontane Treffen mit potentiellen Kunden oder der Presse. Ab und an müssen wir auf diversen Veranstaltungen, Meetups und Kongressen Präsenz zeigen und PR-Arbeit leisten. Durch die sich deswegen verschobenen Essenszeiten und die in den USA üblichen Mengen und Speisen kommt der Diätplan auf jeden Fall ziemlich durcheinander, so dass man sich am Ende des Aufenthalts wie Hulk fühlt: die Kleidung sitzt plötzlich fast zum Zerreißen gespannt eng am Körper.

Natürlich versucht man die karge Freizeit, die man unterwegs hat, mit Sightseeing auszufüllen, was manchmal gar nicht so einfach ist, denn erstens ist man oft nicht direkt in einer Großstadt unterwegs, sodass die Sehenswürdigkeiten Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt sind, oder man fällt einfach vor Müdigkeit tot ins Bett und kann sich bis zum Morgen nicht rühren. Ausnahmen bilden Trips, die übers Wochenende gehen: dann kann man tatsächlich vor Ort einiges sehen und mit den Kollegen etwas privat unternehmen. Aber solche Gelegenheiten haben sich in den fast drei Jahren, in denen ich in dem Team bin, nur zwei Mal ergeben, deswegen sind sie jedes Mal ein großes Highlight.

Es kommt in dieser Zeit so viel auf einen zu, dass man, nachdem man wieder zu Hause angekommen ist, eine ganze Woche braucht, um die Masse an Notizen, Mitschriften und Protokollen zu ordnen, in Angebote, Dokumentationen und Userstories einfließen zu lassen und die Kollegen und Vorgesetzten auf den neuesten Stand zu bringen.

Ja, man kann die Trips tatsächlich mit Urlaub vergleichen, einem abenteuerlichen, aberwitzigen, verrückten und doch persönlich und für die Firma gewinnbringenden Urlaub. Eine Art Sprach-, Kultur- und Bildungsreise mit Road Trip Romantik.

Eine Reise ist immer ein Geschenk, um Türen zu öffnen, Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, sie und ihre Belange zu verstehen und neue Kontakte zu knüpfen.

Es gehört für mich ein Bisschen zu der Work-Life-Balance.

Ich freue mich jedes Mal darauf.

So, ich gehe jetzt Koffer packen…