Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verlangen weltweit nicht viel von Unternehmen für die Umsetzung des Lieferkettengesetzes:

  • Risikoprüfung
  • Gegenmaßnahmen, um die Menschenrechte zu wahren und Kinderarbeit zu verhindern
  • Transparenz und Beschwerdestellen
  • angemessene menschenrechtliche Sorgfalt

2011 wurden diese Maßnahmen im UN-Menschenrechtsrat verabschiedet und viele Unternehmen waren voll des Lobes für den „pragmatischen Ansatz“. Die Wirtschaft sei „entschlossen, ihre Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte wahrzunehmen“, versprachen damals die Internationale Handelskammer und die Internationale Organisation der Arbeitgeber, zu der auch die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) gehört.

„Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel, wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen.“

Bisher setzte die Bundesregierung darauf, dass Unternehmen sich freiwillig an Menschenrechtsstandards in der Lieferkette halten. Weiterhin sind viele Lobbyisten der Wirtschaft und sogar der BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) besorgt über den für die Wirtschaft potentiell  schädlichen Effekt, den die Einführung eines solchen Gesetzes durch die Bundesregierung mit sich bringen könnte. 

Ernüchternd bei dieser Haltung ist allerdings, dass das Wohl der deutschen Wirtschaft von vielen vor das Wohl der Bevölkerung produzierender Länder gestellt wird. Es wurden in Deutschland 3.000 Unternehmen aufgefordert eine Selbsteinschätzung zu dem Thema „Sorgfaltspflicht bei der Wahrung von Menschenrechten bei Ihren Lieferanten“ abzugeben, Antworten kamen von 464 Unternehmen. Beschämende 20% dieser erfüllen die angefragten Vorgaben.

„Für die Wirtschaft derart schädlich“

…propagieren die einen und für die anderen ist es schon zehn nach zwölf und die Einführung des Lieferkettengesetzes dringend erforderlich, um die Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutungen der Produktionsländer nicht weiter zu unterstützen.

Selbst große deutsche Unternehmen schließen sich inzwischen der Forderung nach einem Gesetz an. Anfang Dezember 2019 starteten 42 deutsche Firmen einen entsprechenden Aufruf, darunter KiK, Tchibo, Ritter Sport und Nestlé.

Das Lieferkettengesetz, haftbar oder nicht?

Deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind, müssen haftbar gemacht werden, wenn sie nichts gegen schwere Missstände in ihren Lieferketten tun, fordern Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen, denn freiwillig ändere sich nichts.

Für Wirtschaftsverbände ist das der falsche Weg: Firmen könnten unmöglich alle Zulieferer kontrollieren. Und sie dürften nicht bestraft werden für etwas, das sie nicht beeinflussen können.

Aber ist das wirklich so?

Können Firmen in Deutschland die Zulieferer im Ausland tatsächlich nicht kontrollieren?

Wie wird denn dann die Qualität der Produkte überprüft oder die Vorgaben von Gesundheits- oder Sicherheitsvorgaben des Produktes gewährleistet? Wie wird denn dann sichergestellt, dass Pelze tatsächlich nur von Farmen verarbeitet werden oder dass medizinische Produkte tatsächlich unter den erforderlichen Reinraumbedingungen produziert werden. Gilt da nicht auch das Kredo „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“? Warum dann nicht auch die Menschenrechte, Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen prüfen?

In erster Linie geht es aber nicht um Haftung, sondern um Entschädigung und die Pflicht zur Sorgfalt.

Was muss noch alles passieren?

Der Dammbruch einer Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho mit vielen Toten, das Massaker an Bergarbeitern im südafrikanischen Marikana, der Brand in einer Textilfabrik in Pakistan und der Export giftiger Pestizide nach Indien und Paraguay: Die Liste der Menschenrechtsverletzungen in Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen ist lang. In vielen Fällen waren sie vermeidbar.

Das Lieferkettengesetz nimmt konkrete Formen an, oder?

Was viele verhindern wollten nimmt jetzt immer konkretere Formen an. Eine neue Regelung, welche deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren lassen, dazu zwingt, dort für sichere und faire Arbeitsbedingungen zu sorgen. Um Kinderarbeit zu verhindern, existenzsichernde Löhne zu garantieren und Umweltschäden zu vermeiden soll das Lieferkettengesetz her. Oder die Wirtschaft müsste einfach an ihren Produktionsstätten – eigenen oder Sub-Produktionsstätten – genauer hinsehen, eine angemessene Risikoprüfung vornehmen und Gegenmaßnahmen einleiten, Transparenz schaffen, Beschwerdestellen einrichten oder anders gesprochen: Anfangen, angemessene menschenrechtliche Sorgfalt walten zu lassen. Ob das ohne gesetzliche Grundlage passiert?